Page 61 - LiMa 49
P. 61
GESCHICHTE(N)
Dr. Hans Rudolf Schneider, Historiker und
eh. Gymnasiallehrer, Präsident des Gönner-
vereins Dichter- und Stadtmuseum und
dessen langjähriger Leiter, weiht die Leser-
schaft in Trouvaillen aus dem Dichter-
und Stadtmuseum ein.
Carl Spittelers Schreibtisch
im Dichter- und Stadt-
Die roten, grünen und schwarzen die grünen und roten
museum. Im Köcher
Bleistifte des Carl Spitteler Bleistifte.
« Zu Zeiten Carl Spittelers hat man Schriften noch auf eine andere Art und Weise
gestaltet als heutzutage am Bildschirm. Auf dem Schreibtisch des 1845 in Liestal
geborenen Dichters lagen oder standen drei verschiedene Bleistifte. Für jede Textsorte
wählte er einen anderen Stift. Für Prosatexte und Briefentwürfe nahm er den roten.
Für Bankgeschäfte und Notizen zu Aktienkursen – Spitteler hat sehr geschickt Aktien-
käufe getätigt – kam der grüne Bleistift zum Einsatz. Mit dem weichen schwarzen Stift
verfasste er Poesie-Texte. Mit diesem Stift entwarf er auch den ‹Olympischen Frühling›,
für den er 1919/1920 als erster Schweizer mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet
worden ist.
Spittelers Arbeitstisch, der im Dichter- und Stadtmuseum Liestal in einer Vitrine gezeigt
wird, stammt aus seiner Luzerner Villa, die er von seinen Schwiegereltern geerbt und mit
seiner Familie im Jahr 1893 bezogen hatte. Tochter Anna hat nach dem Tod ihres Vaters
im Jahr 1924, kurz vor dessen 80. Geburtstag, eine Zeichnung von der Anordnung seiner
Arbeitsutensilien angefertigt. So konnte das Dichter- und Stadtmuseum seine Schreib-
stube gut rekonstruieren. Von Anna wissen wir auch, wie er seine Schreibwerkzeuge
verwendete.
Die Tintenfeder benutzte Spitteler übrigens für die Reinschrift seiner Texte. Auf seinem
»
Arbeitstisch im Museum ist auch die Kopie eines Briefs an den Liestaler Gemeinderat zu
sehen. Darin dankt Spitteler dem Rat für seine Gratulation zu seinem 75. Geburtstag.
Aufgezeichnet von Beatrice Rieder
LiMa Januar– Februar 2016 – 61 –