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Wenn Sascha Torriani mit seinem
       Der Mann fürs Grobe                                                             Geschäftswagen vorfährt, wissen alle,
                                                                                     was es geschlagen hat.




       Sascha Torriani kennt den Geruch des Todes: Er ist
       Tatort reiniger, der erste der Schweiz. Sein Beruf verlangt
         Fachkenntnis, Respekt – und einen guten Magen.
       Denn er hat fast täglich mit Leichen zu tun.




       Eigentlich träumte Sascha Torriani     anders, kurz: «Ich konnte nicht mehr   weiss um die Verantwortung, die er trägt
       den klassischen Bubentraum: Er wollte   weitermachen.»                        und die Schicksale hinter seinen Aufträ-
       Polizist werden, wollte Action, eine                                          gen. «Respekt», sagt er, «ist oberstes
       Waffe. Doch seine Laufbahn begann mit   Oberstes Gebot: Respekt               Gebot.»
       einer Lehre zum Unterhaltungselektro-  Sascha Torriani ist den Umgang mit        Was aber macht ein Tatortreiniger
       nikverkäufer. Action, selbstredend, gab   Medien gewohnt, regelmässig kommen   überhaupt? Um das zu verstehen, muss
       es auch hier – allerdings nur ab Monitor   Fernsehen, Radio, Zeitungen auf ihn    man einen Schritt zurück gehen. Nach
       und Lautsprecher.                      zu, gerade hat SRF eine Reportage über   Torrianis Ausstieg aus dem Sicherheits-
           Also wechselte er die Branche      ihn gedreht. Torriani nämlich, unter   geschäft heuerte er im Reinigungsinstitut
       und landete bei einem Sicherheitsunter-  anderem in Lausen aufgewachsen und   seines Vaters an. «Der lehrte mich, was
       nehmen, wo er Politiker, Industrielle,   heute in Basel zuhause, war der erste   es heisst zu arbeiten», erinnert sich
       Scheichs und Entertainer schützte:     Tatortreiniger der Schweiz.            Sascha Torriani. Spezialbehandlung?
       Sascha Torriani, 37 und Vater einer        Das hat mit Leichen und Blut zu    Fehlanzeige; er musste sich von unten
       Tochter, jettete als Bodyguard um die   tun, mit Verwesung und dem säuerlichen   hocharbeiten.
       Welt. Nun hatte er die Action, führte er   Geruch des Todes, mit tragischen      Dann, 2005, sah er diese Dokumen-
       das aufregende Leben, dem er nachge-   Ereignissen, oft Gewalt, manchmal      tation im Fernsehen, irgendwo in den
       eifert war. Viereinhalb Jahre währte der   Verwahrlosung. Darum ist er ein be-  USA wurde ein Tatortreiniger von einem
       vermeintliche Traumjob – dann kam      liebter Gesprächspartner für die Medien.   Kamerateam begleitet und dabei gefilmt,
       ein Kollege im Einsatz um. Torriani war   Torriani ist sich dessen bewusst, weiss,   wie er, vereinfacht gesagt, Tatorte von
       geschockt, eine Welt brach über ihm    dass sein Job für Aufsehen sorgt. Doch   menschlichen Überresten befreite.
       zusammen, und alles war plötzlich      er geht ganz unprätentiös damit um,    Torriani war nicht nur fasziniert; er


                                                                                                 LiMa Januar– Februar 2016  – 49 –
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