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DER LETZTE GANG









       Kein Leugnen hilft, kein Widerstreben,


       wir müssen sterben, weil wir leben.



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       Doris Passalacqua wäscht Verstorbene, Caroline Munschauer
       begleitet sie in ihren letzten Tagen, und Christian Tanner gräbt
       ihre Gräber. Vom Leben und Sterben in und um Liestal.



       Texte: Lucas Huber; Bilder: Guido Schärli und Florian Moritz

       Hinter jedem Tod steckt ein Schicksal,   den Hinterbliebenen sei es oft nicht    Konservierte Körperwärme
       Trauer und eine Menge Menschen,        wohl mit einer Leiche, zuhause im Bett.   Doch Doris Passalacquas primäre
       die genau hier ins Spiel kommen. Wer   Darum kümmert sie sich, bevor sie      Aufgabe obliegt dem Praktischen. An
       nämlich stirbt, führt für einen kurzen   sich um den Verstorbenen kümmert,    Ort und Stelle wäscht sie den Verstor-
       Moment eine ganze Reihe von Experten   um die Lebenden. «Es ist der Moment,   benen – «am liebsten mit der Unterstüt-
       zusammen. Die Behörden, die die        der immer in Erinnerung bleibt; ich    zung der Hinterbliebenen.» Sagt sie.
       Mitteilung über den Todesfall entgegen-  will ihn so erträglich wie möglich   Manch einer Leiche sieht Doris den
       nehmen, machen dabei nur den Anfang.   gestalten.»                            Todeskampf an. Dann versucht sie,
           Sargschreiner braucht es und
         Steinbildhauer, Floristen, Totengräber,   Sie ist oft die Erste, die gerufen wird, wenn jemand verstorben ist. Bestatterin Doris Passa-
       Siegriste, Geistliche, gelegentlich    lacqua begleitet die Angehörigen durch die Rituale und die ganz irdischen Schritte beim
       die Polizei und Juristen, Mediziner,    Abschied nehmen.
       im unglücklichsten Fall: Erbschleicher.
       Jemand stellt den Totenschein aus,
       jemand verfasst das Leidzirkular,
       jemand verliest das Testament. Jemand
       gibt die Todesanzeige auf, jemand nimmt
       sie entgegen, jemand informiert das
       nächste Umfeld. Vielleicht war zuvor
       ein Hospiz im Spiel, vielleicht eine
       Sterbebegleitung. Vielleicht war Pflege
       nötig, vielleicht ein Arzt. Vielleicht
       kommt der tote Körper der Forschung
       zu oder seine Organe neuen Körpern?
       Vielleicht hielt jemand Totenwache.
           Doris Passalacqua ist Bestatterin
       aus Reigoldswil. Stirbt jemand, ist sie oft
       die Erste, die gerufen wird. Dann lässt
       sie alles stehen und liegen und fährt
       zum Ort des Geschehens. «Und zwar so
       schnell wie möglich», sagt sie. Denn


                                                                                              LiMa September–Oktober 2015  – 15 –
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