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KINDER








                                                                 Kinder











                                                                  Spielen, lernen, wachsen: Was hätten Kinder mehr
                                                                  zu tun? Ziemlich viel. Von Rauchbombenbastlern,
                                                                  neunmalklugen Mitfahrern, heiratswilligen Spider-
                                                                  männern und Schwammböxlireinigern.
                                                                   Alle Texte: Lucas Huber, Fotos: Jen Ries




                                                                                     Zwischen Einkaufsregalen werfen sie
                                                                                     sich kreischend zu Boden, an Kassen
                                                                                     quengeln sie. Manchmal bemalen sie
                                                                                     Wände, manchmal reissen sie Seiten aus
                                                                                     Büchern, manchmal befördern sie ihre
                                                                                     Mahlzeit durch die Luft. Sie stellen
                                                                                     groteske Forderungen, sind ungeduldig,
                                                                                     egoistisch und klammernd. Sie wollen
                                                                                     100 Mal dasselbe Lied hören und
                                                                                     100 Mal dieselbe Geschichte – ohne
                                                                                     Pause. Sie schlafen viel, nur nicht nachts.
                                                                                     Und sie kosten ein Vermögen, durch-
                                                                                     schnittlich 1’100 Franken pro Monat bis
                                                                                     zum 20. Lebensjahr, das rechnet der
                                                                                     «Beobachter» vor.

                                                                                     Doch sie sind eben auch Glück und pure
                                                                                     Emotion, Freude, Liebe, Perspektive,
                                                                                     Zuwendung, Familie – und irgendwie
                                                                                     sogar der Sinn des Lebens. Kinder. Nicht
                                                                                     Kinder per se, sondern das Kind als
                                                                                     Nachwuchs, das seines Zeichens Nach-
                                                                                     wuchs zeugt und so die Spezies am
                                                                                     Leben erhält. Kinderhaben war einst
                                                                                     Lebensversicherung fürs Alter und ist es
                                                                                     in manch armem Teil der Welt noch
                                                                                     immer. Heute sind Kinder vielfach
                                                                                     Königinnen und Könige, und sogenannte
                                                                                     Helikopter-Eltern umschwirren sie wie
                                                                Buben, Buben.
                                                                Auf dem Pausenplatz   Motten das Licht. Denn wenn sie fallen,
                                                                muss Bewegung her.   fallen sie lieber sanft.


                                                                                                    LiMa Juli – August 2017  – 9 –
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