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EINKAUFSERLEBNIS



































       Der Künstler Ruedi Pfirter räumt auf. Dazu gehört für ihn, frühere Bilder zu «recyceln», indem er sie frisch übermalt – zum Beispiel das
       grosse mit grünem Untergrund. Hunderte von Bildern und Holzschnitten stapeln sich noch im Atelier, die meisten fein säuberlich geordnet und
       beschriftet (Bild unten).


       oben auf der Sissacher Fluh, wo die Aus-   –  Ich muss lachen, wenn ich mir   sie angesehen, dass er genug hatte vom
       stellung «Aussichten» noch bis im kom-     vorstelle, was er gesagt hätte, als ich   Leben, genug im positivsten Sinn.
       menden Jahr zu einem Rundgang lädt.        die Löcher in die Löffel gebohrt   «Das stelle ich mir schön vor, und es ist
           Hier steht auch eine Skulptur von      habe.                              eine Hoffnung, an diesen Punkt zu
       Brigitta Glatt – eine Auseinandersetzung   –  Was hätte er denn gesagt?       kommen. Doch bleibt nicht auch dann
       mit dem Tod. «Memento mori» nennt      –  Dass man mit den Löffeln doch noch   noch etwas, das man zu erleben hofft?»
       sie sie, bedenke, dass du stirbst, vier    bestens hätte essen können.        Sie beschreibt das Wissen um den Tod
       Wegweiser, die die vier Himmelsrich-                                          als einen Zustand zwischen Mut und
       tungen weisen, darauf vier Löffel.     Für Brigitta Glatt hängt die Auseinan-  Angst. Jener Bereich also, in dem sich
       Die Botschaft ist klar: Wohin wir auch   dersetzung mit dem Tod weniger vom   das Leben abspielt.
       gehen, den Löffel geben wir eines Tages   Alter ab als davon, schon mit ihm,       Brigitta Glatts Grossvater starb
       mit Sicherheit ab.                     dem Tod, konfrontiert worden zu sein.   diesen Januar. Kurz vor Weihnachten
           Brigittas Intention: «Die Skulptur   Dem Grossvater auf dem Sterbebett hat   liess er sich noch seine Schuhe neu
       lässt lächeln. Sie darf nicht drücken,
       nicht traurig machen.» Selbst wenn sie
       den einen Tag mit Gelassenheit an den
       Tod denkt und ihn am anderen als Frech-
       heit empfindet, als Begrenzung all
       dessen, was das Leben noch zu bieten hat.
           Und tatsächlich gibt sie dem ernsten
       Thema eine Nonchalance, die fast
       schon heiter stimmt. Erzählt sie dann,
       dass die Löffel von ihren Grosseltern
       stammen und dass ihr Grossvater
       während des Entstehungsprozesses
       105-jährig verstarb, könnte einen Trauer
       übermannen. Doch Brigitta strahlt:


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