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Informationen fliessen dann in meine
       Grabrede. Dabei muss ich ein Gespür
       haben, was ich bei der Beisetzung
       einfliessen lasse und was nicht.


       Empfinden Sie diese Verantwortung
       manchmal als Bürde?
           Ich darf dabei keine Fehler machen,
       das bin ich den Hinterbliebenen schul-
       dig. Sicher ist die Verantwortung gross,
       und das Vertrauen geht über alles. Dafür
       erlebe ich grosse Dankbarkeit. Mir sind
       die Menschen wichtig – und das müssen
       sie auch spüren. Das Schönste ist, wenn
       man nach der Beerdigung zu mir sagt:
       «Man könnte meinen, Sie haben meinen
       Vater seit 25 Jahren gekannt.»


       Wird selbst der emotionale Moment
       einer Beerdigung zur Routine?
           Nein. Es gibt keine Standardbeer-
       digung, eine jede entsteht aufs Neue,
       wie jeder Mensch einzigartig ist.
       Nicht zuletzt darum ist die Vorbereitung
       harte Arbeit, es ist anstrengend. Man
       erwartet nicht von mir, dass ich mit-
       trauere, Abgrenzung ist sehr wichtig,
       aber ich muss mich auf das Schicksal
       einlassen. Die Erwartung an mich ist,
       einer Situation eine Sprache zu geben,
       die eigentlich sprachlos macht. Das
       ist menschlich gesehen eine schier
       unüberbrückbare Differenz. Hier
       spüre ich immer wieder das göttliche
       Wirken.

       Ziehen Sie daraus auch Schlüsse für
       sich selbst?
           Man sieht, wie schnell es gehen    den Wert des Lebens. Ob es hilft? Das   die Sichtweise an und auf die Hoffnung.
       kann, und auch wenn wir im Durch-      ist unendlich schwierig.               Darum ist es wichtig, sich mit dem Tod
       schnitt immer älter werden, so stirbt                                         und der Sterblichkeit auseinanderzu-
       längst nicht jeder an Alterssattheit. Man   Können Sie sich vorstellen, sich auf   setzen. Verdrängen hilft uns nicht, es ist
       sucht nach Erklärungen, doch was will   das Sterben zu freuen?                nicht gut. Aber wenn wir uns auf das
       man erklären, wenn eine 30-jährige Frau      Ich mag das Bild des Trauerkranzes   besinnen, was wirklich zählt, schaffen
       an einer Lungenembolie stirbt? Oder ein   als Siegeskranz. Für den erfolgreichen   wir es vielleicht sogar, uns auf das
       Kind bei einem Unfall? Man hinterfragt   Zieleinlauf quasi. Letztlich kommt es auf   Sterben zu freuen.


                                                                                             LiMa November–Dezember 2015  – 31 –
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